„[…] aus so krummem Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden.“[1]
Zu Beginn des großen Kantjahres, in dem sich die Geburt Immanuel Kants in Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, zum 300. Male jährt, soll hier gezeigt werden, wie das Werk dieses „bedeutenden Denkers“[2] (Hannah Arendt) einerseits klar anthropozentrisch geprägt ist, andererseits aber auch teilweise die spätere postmoderne, poststrukturalistische und posthumanistische Kritik am Anthropozentrismus vorwegnimmt und somit – so die These dieses Beitrages – einen Metaanthropozentrismus konstituiert.
Hierbei soll getreu der humanistischen Losung „ad fontes“ („zu den Quellen“) ausführlich aus Kants Werken zitiert werden (bei gleichzeitig reduzierter Kommentierung), damit sich die Leser*innen auf der Basis ihrer jeweils eigenen Lesart getreu dem kantischen Leitspruch der Aufklärung „Sapere aude!“ (in Kants Interpretation: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“[3]) ein kritisches Urteil bezüglich der hier vertretenen These bilden können. Dabei gilt der Theodor W. Adorno „von größter Aktualität zu sein“[4] scheinende kantische Satz: „Der kritische Weg ist allein noch offen.“[5]
Anthropozentrismus
Unter Anthropozentrismus wird hier die Position, der zufolge ausschließlich der Mensch als vernunftbegabtes Wesen einen moralischen Status bzw. Wert besitzen und „Mitglied des moralischen Universums“[6] sein könne, verstanden.
Abgesehen von möglichen übernatürlichen Wesen spricht Kant nur dem Menschen eine Vernunftbegabung zu. So schreibt er von dem Menschen „als dem einzigen vernünftigen Geschöpf auf Erden“[7] und bezeichnet die Menschheit als „das vernünftige Weltwesen überhaupt“[8]. Aus seiner Annahme, dass allein wir Menschen über uns nachdenken und uns in Gedanken selbst als „Ich“ identifizieren könnten, leitet Kant eine herausgehobene Stellung des Menschen unter allen Lebewesen der Erde ab:
„Daß der Mensch in seiner Vorstellung das Ich haben kann, erhebt ihn unendlich über alle andere auf Erden lebende Wesen. Dadurch ist er eine Person und, vermöge der Einheit des Bewußtseins, bei allen Veränderungen, die ihm zustoßen mögen, eine und dieselbe Person […]; selbst wenn er das Ich noch nicht sprechen kann; weil er es doch in Gedanken hat: wie es alle Sprachen, wenn sie in der ersten Person reden, doch denken müssen, ob sie zwar diese Ichheit nicht durch ein besonderes Wort ausdrücken. Denn dieses Vermögen (nämlich zu denken) ist der Verstand.“[9]
„Als das einzige Wesen auf Erden, welches Verstand, mithin ein Vermögen hat, sich selbst willkürlich Zwecke zu setzen,“ sei der Mensch „betitelter Herr der Natur“[10].
Der Vernunft des Menschen schreibt Kant eine „moralisch gesetzgebende“[11] Funktion zu, durch die der Mensch „als moralisches Wesen ein Endzweck der Schöpfung“[12] sei:
„Von dem Menschen nun (und so jedem vernünftigen Wesen in der Welt), als einem moralischen Wesen, kann nicht weiter gefragt werden: wozu (quem in finem) er existiere. Sein Dasein hat den höchsten Zweck selbst in sich […].“[13]
Zudem vertritt Kant die Auffassung, dass nur „Menschen, d. i. tierische, aber doch vernünftige Wesen,“[14] zu ästhetischer Beurteilung nach einem Schönheitsideal in der Lage seien:
„Nur das, was den Zweck seiner Existenz in sich selbst hat, der Mensch, der sich durch Vernunft seine Zwecke selbst bestimmen, oder, wo er sie von der äußern Wahrnehmung hernehmen muß, doch mit wesentlichen und allgemeinen Zwecken zusammenhalten, und die Zusammenstimmung mit jenen alsdann auch ästhetisch beurteilen kann: dieser Mensch ist also eines Ideals der Schönheit, so wie die Menschheit in seiner Person, als Intelligenz, des Ideals der Vollkommenheit, unter allen Gegenständen in der Welt allein fähig.“[15]
Postanthropozentrismus
Trotz aller Betonung der besonderen Stellung des Menschen wendet sich Kant in seiner „Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht“ wider dessen Selbstüberhöhung:
„Da die Menschen in ihren Bestrebungen nicht bloß instinktmäßig, wie Tiere, und doch auch nicht, wie vernünftige Weltbürger, nach einem verabredeten Plane, im ganzen verfahren: so scheint auch keine planmäßige Geschichte (wie etwa von den Bienen oder den Bibern) von ihnen möglich zu sein. Man kann sich eines gewissen Unwillens nicht erwehren, wenn man ihr Tun und Lassen auf der großen Weltbühne aufgestellt sieht; und, bei hin und wieder anscheinender Weisheit im einzelnen, doch endlich alles im großen aus Torheit, kindischer Eitelkeit, oft auch aus kindischer Bosheit und Zerstörungssucht zusammengewebt findet: wobei man am Ende nicht weiß, was man sich von unserer auf ihre Vorzüge so eingebildeten Gattung für einen Begriff machen soll.“[16]
Diese kantische ironische Brechung des Anthropozentrismus könnte als ein Schritt zu seiner Dekonstruktion und damit in Richtung einer postanthropozentrischen Sichtweise interpretiert werden.
In seiner „Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels“ holt Kant den Menschen mit der Wiedergabe einer Fabel von seinem selbst gebauten anthropozentrischen Sockel und reiht ihn in das komplexe Geflecht der Lebewesen der Natur ein:
„‚Diejenigen Kreaturen’, spricht er, ‚welche die Wälder auf dem Kopfe eines Bettlers bewohnen, hatten schon lange ihren Aufenthalt vor eine unermeßliche Kugel, und sich selber als das Meisterstück der Schöpfung angesehen, als einer unter ihnen, den der Himmel mit einer feinern Seele begabet hatte, ein kleiner Fontenelle seines Geschlechts, den Kopf eines Edelmanns unvermutet gewahr ward. Alsbald rief er alle witzige Köpfe seines Quartiers zusammen, und sagte ihnen mit Entzückung: wir sind nicht die einzigen belebten Wesen der ganzen Natur: sehet hier ein neues Land, hie wohnen mehr Läuse.’ Wenn der Ausgang dieses Schlusses ein Lachen erwecket: so geschicht es nicht um deswillen, weil er von der Menschen Art, zu urteilen, weit abgehet; sondern, weil eben derselbe Irrtum, der bei dem Menschen eine gleiche Ursache zum Grunde hat, bei diesen mehr Entschuldigung zu verdienen scheinet. […] Dieses Insekt, welches, sowohl seiner Art zu leben, als auch seiner Nichtswürdigkeit nach, die Beschaffenheit der meisten Menschen sehr wohl ausdrückt, kann mit gutem Fuge zu einer solchen Vergleichung gebraucht werden. Weil, seiner Einbildung nach, der Natur an seinem Dasein unendlich viel gelegen ist: so hält es die ganze übrige Schöpfung vor vergeblich, die nicht eine genaue Abzielung auf sein Geschlechte, als den Mittelpunkt ihrer Zwecke, mit sich führet. Der Mensch, welcher gleich unendlich weit von der obersten Stufe der Wesen abstehet, ist so verwegen, von der Notwendigkeit seines Daseins sich mit gleicher Einbildung zu schmeicheln. Die Unendlichkeit der Schöpfung fasset alle Naturen, die ihr überschwenglicher Reichtum hervorbringt, mit gleicher Notwendigkeit in sich. Von der erhabensten Klasse, unter den denkenden Wesen, bis zu dem verachtetesten Insekt ist ihr kein Glied gleichgültig; und es kann keins fehlen, ohne daß die Schönheit des Ganzen, welche in dem Zusammenhange bestehet, dadurch unterbrochen würde. […] In der Tat, jenes Insekt mag uns so nichtswürdig scheinen, als es wolle, es ist der Natur gewiß an der Erhaltung ihrer ganzen Klasse mehr gelegen, als an einer kleinen Zahl vortrefflicherer Geschöpfe, deren es dennoch unendlich viel gibt, wenn ihnen gleich eine Gegend, oder Ort, beraubet sein sollte. Weil sie in Hervorbringung beider unerschöpflich ist, so sieht man ja, gleich unbekümmert, beide, in ihrer Erhaltung und Zerstörung, den allgemeinen Gesetzen überlassen. Hat wohl jemals der Besitzer jener bewohnten Wälder, auf dem Kopfe des Bettlers, größere Verheerungen unter dem Geschlechte dieser Kolonie gemacht, als der Sohn Philipps in dem Geschlechte seiner Mitbürger anrichtete, als es ihm sein böser Genius in den Kopf gesetzet hatte, daß die Welt nur um seinetwillen hervorgebracht sei?“[17]
Mit letzterer rhetorischen Frage spielt Kant auf Alexander den Großen, dessen Machtwillen und Eroberungsdrang Tausende Menschenleben zum Opfer fielen, an. Insgesamt kann die von Kant wiedergegebene Läusefabel erneut als ironische Brechung des Anthropozentrismus gelesen werden. Darin erinnert sie an die von Friedrich Nietzsche zur Verspottung des anthropozentrischen Weltbildes verwendete Mückenmetapher: „Könnten wir uns aber mit der Mücke verständigen, so würden wir vernehmen, dass auch sie mit diesem Pathos durch die Luft schwimmt und in sich das fliegende Centrum dieser Welt fühlt.“[18]
Darauf, dass unsere Art der Wahrnehmung der Dinge, die das Ergebnis mithilfe apriorischer Verstandesbegriffe zu Erscheinungen verarbeiteter Sinnesreize sei, nicht zwangsläufig von anderen Wesen geteilt werde, weist Kant in seiner „Kritik der reinen Vernunft“ hin: „Wir kennen nichts, als unsere Art, sie wahrzunehmen, die uns eigentümlich ist, die auch nicht notwendig jedem Wesen, ob zwar jedem Menschen, zukommen muß.“[19]
Allen nichtmenschlichen Tieren schreibt Kant zwar kein Vernunft-, aber immerhin ein Vorstellungsvermögen zu, das sie mit den Menschen zu einer Gattung von Lebewesen verbinde:
„So denken wir uns zu den Kunsthandlungen der Tiere, in Vergleichung mit denen des Menschen, den Grund dieser Wirkungen in den ersteren, den wir nicht kennen, mit dem Grunde ähnlicher Wirkungen des Menschen (der Vernunft), den wir kennen, als Anlagen der Vernunft; und wollen damit zugleich anzeigen: daß der Grund des tierischen Kunstvermögens, unter der Benennung eines Instinkts, von der Vernunft in der Tat spezifisch unterschieden, doch auf die Wirkung (der Bau der Biber mit dem der Menschen verglichen) ein ähnliches Verhältnis habe. – Deswegen aber kann ich daraus, weil der Mensch zu seinem Bauen Vernunft braucht, nicht schließen, daß der Biber auch dergleichen haben müsse, und es einen Schluß nach der Analogie nennen. Aber aus der ähnlichen Wirkungsart der Tiere (wovon wir den Grund nicht unmittelbar wahrnehmen können), mit der des Menschen (dessen wir uns unmittelbar bewußt sind) verglichen, können wir ganz richtig nach der Analogie schließen, daß die Tiere auch nach Vorstellungen handeln (nicht, wie Cartesius will, Maschinen sind), und, ungeachtet ihrer spezifischen Verschiedenheit, doch der Gattung nach (als lebende Wesen) mit dem Menschen einerlei sind.“[20]
In einer wenig beachteten Anmerkung seiner Schrift „Anthropologie in pragmatischer Hinsicht“ stellt Kant eine Hypothese in den Raum, die es – Jacques Derrida zufolge – „notwendig machen würde, die ganze Logik dieses Anthropozentrismus und also des ganzen Kantischen Werkes neu zu verteilen“[21]. Darin spekuliert Kant darüber, dass in der Evolution der Lebewesen nach einer ersten Epoche des „rohen Naturzustande[s]“ und einer zweiten, durch die menschliche „Kultur“ geprägten Epoche in einer künftigen dritten Epoche Orang-Utans oder Schimpansen einen vernunftbegabten Verstand erlangen könnten:
„Diese Bemerkung führt weit, z. B. auf den Gedanken: ob nicht auf dieselbe zweite Epoche, bei großen Naturrevolutionen, noch eine dritte folgen dürfte. Da ein Orang-Utan, oder ein Schimpansen die Organe, die zum Gehen, zum Befühlen der Gegenstände und zum Sprechen dienen, sich zum Gliederbau eines Menschen ausbildete, deren Innerstes ein Organ für den Gebrauch des Verstandes enthielte und durch gesellschaftliche Kultur sich allmählich entwickelte.“[22]
Derrida betont die Bedeutung „dieser außergewöhnlichen Anmerkung“:
„Kant spricht hier nicht mehr vom Tier im Allgemeinen, er stellt eine strukturelle Differenz zwischen nicht-menschlichen Tierarten in Rechnung. Die Anmerkung markiert somit die Eröffnung eines evolutiven, ja ‚geschichtlichen’ Prozesses […], einer makrodimensionalen Periodisierung der Hominisation und darüber hinaus, die zwar wenig wahrscheinlich ist und in naiver Form beschrieben wird, gleichwohl aber zumindest die Aufmerksamkeit der Philosophen auf die Arbeiten der kommenden Primatologie lenkt. Solche Wissensformen müssten sie dazu zwingen, ihren gewohnten Diskurs zu ‚dekonstruieren’, wenn sie schon nicht von selbst, in eben diesem Diskurs, Anregungen dazu finden.“[23]
Metaanthropozentrismus
In einem am 21. Oktober 1966 auf einem Internationalen Kolloquium der Johns Hopkins University in Baltimore unter dem Titel „Die Struktur, das Zeichen und das Spiel im Diskurs der Wissenschaften vom Menschen“ gehaltenen Vortrag sieht Derrida die Humanwissenschaften an einem Scheideweg:
„Es gibt somit zwei Interpretationen der Interpretation, der Struktur, des Zeichens und des Spiels. Die eine träumt davon, eine Wahrheit und einen Ursprung zu entziffern, die dem Spiel und der Ordnung des Zeichens entzogen sind, und erlebt die Notwendigkeit der Interpretation gleich einem Exil. Die andere, die dem Ursprung nicht länger zugewandt bleibt, bejaht das Spiel und will über den Menschen und den Humanismus hinausgelangen, weil Mensch der Name des Wesens ist, das die Geschichte der Metaphysik und der Onto-theologie hindurch, das heißt im Ganzen seiner Geschichte, die volle Präsenz, den versichernden Grund, den Ursprung und das Ende des Spiels geträumt hat. Diese zweite Interpretation der Interpretation, deren Weg uns Nietzsche vorgezeichnet hat, sucht nicht in der Ethnographie, wie Lévi-Strauss es wollte […], ‚die Inspiration zu einem neuen Humanismus’.“[24]
Zu dieser derridaschen Dichotomie präsentiert Kant einen Mittelweg: Einerseits betont er die besondere Begabung des vernünftigen menschlichen Verstandes und leitet daraus eine besondere Stellung des Menschen ab. Darin ähnelt er Claude Lévi-Strauss, der sich fasziniert von der Schöpfungskraft des Menschen zeigt:
„Denn wenn die ethnologischen Forschungen dem modernen Menschen eine Lehre vermitteln können, so ist es die, daß die Gesellschaften […] dem Blick des Betrachters einen fruchtbaren Überfluß an Bräuchen, Glaubensvorstellungen und Kunstformen bieten, die Zeugnis ablegen von den unerschöpflichen kreativen Kräften des Menschen.“[25]
Andererseits kritisiert Kant mit der Läusemetapher, die Nietzsches Mückenmetapher gleicht, den Anthropozentrismus, weist darauf hin, dass sich die Art der Weltwahrnehmung anderer Wesen von der unsrigen unterscheiden könne, und eröffnet die Möglichkeit einer Zukunft, in der Orang-Utans oder Schimpansen zu einem vernunftbegabten Verstand vorstoßen könnten.
In ihrem 2010 erschienenen Essay „Notes on metamodernism“[26] charakterisieren Timotheus Vermeulen und Robin van den Akker Metamodernismus als „oscillation between a typically modern commitment and a markedly postmodern detachment“, wobei sie „oscillation“ als „pendulum swinging between […] poles“ verbildlichen. In formaler Analogie dazu ließe sich Kants Oszillieren zwischen einem anthropozentrischen und einem postanthropozentrischen Pol als Metaanthropozentrismus bezeichnen, was dieser Beitrag zur Diskussion stellen möchte.
Ausblick
Wenn sich der Mensch bei aller berechtigten Hoch- und Wertschätzung seiner Vernunftbegabung nicht mehr für den Weltmittelpunkt hielte, könnte dies zu einem holistischeren Weltverständnis und einer schrittweisen Dekonstruktion des konstruierten Mensch-Natur-Dualismus beitragen. Mancherorts werden bereits Schritte in diese Richtung unternommen: So erklärte die neuseeländische Regierung 2017 den Whanganui River, der in der maorischen Weltanschauung auch Te Awa Tupua („Fluss als Ahne“) genannt und als Heiligtum verehrt wird, zusammen mit seinen Nebenflüssen und seinem Einzugsgebiet zu einer juristischen Person mit allen entsprechenden Rechten, Befugnissen, Pflichten und Verbindlichkeiten. Damit gehört der Fluss nur noch sich selbst und kann durch seine menschliche Stellvertretung, das Te Pou Tupua Office, vor Gericht ziehen und seine Rechte einklagen. Diesem Beispiel folgend ordnete ein Gericht im nordindischen Bundesstaat Uttarakhand an, dem in Indien als heilig angesehenen Ganges und seinem Hauptzufluss Yamuna sowie ihren Quellgletschern Gangotri und Yamunotri den Status einer juristischen Person zuzuerkennen und somit ihre Schädigung durch Verschmutzung, Düngereintrag oder Abraum aus dem Bergbau rechtlich der Schädigung eines Menschen gleichzustellen. Diese Gerichtsentscheidung hat zu einem generellen Verbot neuer Bergbaulizenzen entlang des Ganges sowie zur Schließung von Hotels, Industriebetrieben und Ashrams, die Abwässer in den Ganges einleiteten, geführt[27].
Gerade in Massenartensterbens- und Klimawandelzeiten wäre ein anderes Selbstverständnis der Menschheit als Teil der Natur essenziell. Das kantische Werk in diesem Sinne weiterzudenken, ist ein legitimes Anliegen, denn, um aus einem Brief des Aphoristikers und Kantfreundes Georg Christoph Lichtenberg an seinen Bruder Ludwig Christian vom 18. Februar 1799 zu zitieren: „Ein dogmatisierender Kantianer ist gewiß kein echter.“[28]
Über den Autoren: Thomas Tews ist Kulturwissenschaftler, freier Autor und Lehrer für Deutsch und Demokratiebildung in einer Vorbereitungsklasse für geflüchtete und migrantische Kinder an einer Stuttgarter Schule.
[1] Immanuel Kant, Werkausgabe. Band 11: Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik 1. Hrsg. von Wilhelm Weischedel. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, S. 41.
[2] Hannah Arendt, Das Urteilen. Texte zu Kants Politischer Philosophie. Dritter Teil zu „Vom Leben des Geistes“. Aus dem Nachlass hrsg. und mit einem Essay von Ronald Beiner. Aus dem Amerikanischen von Ursula Ludz. Piper, München 2012, S. 13.
[3] Immanuel Kant (Anm. 1), S. 53.
[4] Theodor W. Adorno, Einleitung in die Soziologie (1968). Hrsg. von Christoph Gödde. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003, S. 135.
[5] Immanuel Kant, Werkausgabe. Band 4: Kritik der reinen Vernunft 2. Hrsg. von Wilhelm Weischedel. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1974, S. 712 (A856/B884).
[6] Angelika Krebs, Naturethik im Überblick. In: Angelika Krebs (Hrsg.), Naturethik. Grundtexte der gegenwärtigen tier- und ökoethischen Diskussion. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1997, S. 337–379, hier S. 345.
[7] Immanuel Kant (Anm. 1), S. 35.
[8] Immanuel Kant, Werkausgabe. Band 8: Die Metaphysik der Sitten. Hrsg. von Wilhelm Weischedel. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, S. 712.
[9] Immanuel Kant, Werkausgabe. Band 12: Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik 2. Hrsg. von Wilhelm Weischedel. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, S. 407.
[10] Immanuel Kant, Werkausgabe. Band 10: Kritik der Urteilskraft. Hrsg. von Wilhelm Weischedel. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1974, S. 389.
[11] Immanuel Kant (Anm. 8), S. 714.
[12] Immanuel Kant (Anm. 10), S. 404.
[13] Ebd., S. 394 f.
[14] Ebd., S. 123.
[15] Ebd., S. 151.
[16] Immanuel Kant (Anm. 1), S. 34.
[17] Immanuel Kant, Werkausgabe. Band 1: Vorkritische Schriften bis 1768 1. Hrsg. von Wilhelm Weischedel. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, S. 379–381.
[18] Friedrich Nietzsche, Werke. Kritische Gesamtausgabe. Hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Abt. 3, Band 2: Nachgelassene Schriften 1870–1873. Walter de Gruyter, Berlin/New York 1973, S. 369.
[19] Immanuel Kant, Werkausgabe. Band 3: Kritik der reinen Vernunft 1. Hrsg. von Wilhelm Weischedel. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1974, S. 87 (A42/B59).
[20] Immanuel Kant (Anm. 10), S. 430 Anm.
[21] Jacques Derrida, Das Tier, das ich also bin. Aus dem Französischen von Markus Sedlaczek. Hrsg. von Peter Engelmann. 2., durchgesehene Auflage. Passagen, Wien 2016, S. 148.
[22] Immanuel Kant (Anm. 9), S. 682 Anm.
[23] Jacques Derrida (Anm. 21), S. 148.
[24] Jacques Derrida, Die Schrift und die Differenz. Übers. von Rodolphe Gasché. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1976, S. 441.
[25] Claude Lévi-Strauss, Der Blick aus der Ferne. Aus dem Französischen von Hans-Horst Henschen und Joseph Vogl. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008, S. 16.
[26] Timotheus Vermeulen und Robin van den Akker, Notes on metamodernism, Journal of Aesthetics & Culture, 2(1), 2010.
[27] James Bridle, Die unfassbare Vielfalt des Seins. Jenseits menschlicher Intelligenz. Aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn. C.H.Beck, München 2023, S. 325–327; Tilo Wesche, Die Rechte der Natur. Vom nachhaltigen Eigentum. Suhrkamp, Berlin 2023, S. 9 f.
[28] Georg Christoph Lichtenberg, Aphorismen, Essays, Briefe. Hrsg. von Kurt Batt. Parkland, Köln 2000, S. 600.