Aus Spaß am gemeinsamen Spiel(en): Gedanken zu einer performativen Ethik des Amateursports

Aus Spaß am gemeinsamen Spiel(en): Gedanken zu einer performativen Ethik des Amateursports

Erfahrungsbericht „Egal wo du auch spielst, sind wir mit dabei…“

Es ist ein früher Sonntagmittag Ende November kurz außerhalb von München. Vor einem Eisstadion warten die ersten Familien auf den Einlass zum Schlittschuhlaufen. In der Halle findet derweil ein Spiel der Fraueneishockey-Bundesliga statt. Die einzigen Zuschauenden sind für das Gästeteam aus Berlin angereist und haben ihre Banner an den Banden angebracht. Knapp ein Dutzend Fans unterstützt die Mannschaft trotz der 7:0 Niederlage bis zum Ende. Mal mit und mal ohne Trommelbegleitung werden aufmunternde Gesänge angestimmt und die Fahnen geschwungen. Nach dem Spiel stehen Fans, Betreuer*innen und Spieler*innen beider Teams zusammen. Auch die „sportlichen Gegner*innen“ loben den fairen Support und die gute Stimmung, welche in dieser Sportart leider nicht alltäglich ist.

Sport und Eventisierung

Sportveranstaltungen, wie das beschriebene Eishockeyspiel, sind alltäglich. Doch gerade das Fehlen von auffälligen Besonderheiten macht sie auf gewisse Weise außergewöhnlich. So ist die gegenwärtige „Gesellschaft der Singularitäten“ für Andreas Reckwitz bestimmt von der Suche (oder Sucht) nach dem Besonderen sowie den omnipräsenten Versuchen zur Inszenierung von Ereignissen, Dingen oder dem Selbst als „besonders“.[i] Analog zu Live-Konzerten und Musikfestivals werden Sportveranstaltungen auch abseits internationaler Großereignisse, wie den Olympischen Spielen, zunehmend als „singuläre“ Ereignisse präsentiert, die ein einzigartiges und potentiell affizierendes Erleben versprechen. Als Events werden diese Erlebniswelten im Sinne von Verheißungen der (kollektiven) Erfahrung außeralltäglicher Momente von Spannung und Spaß im Kulturkapitalismus ökonomisch vermarktet. Mit seinem vergleichsweise unspektakulären Charakter scheint sich das angesprochene Eishockeyspiel dieser (potentiell allumfassenden) Dynamik der „Eventisierung“[ii] jedoch zu verschließen. Trotzdem hat sich im Verlauf der Veranstaltung zweifelsfrei ein einzigartiges Sporterlebnis entfaltet, das den Beteiligten in Erinnerung bleibt.

Es sind unter Umständen genau diese Momente des Nicht-Besonderen, die gegenwärtig ein durchaus steigendes Interesse am Amateursport[iii] als spezifischer Erlebniswelt für Spielende und Rezipierende begründen. Die sich scheinbar widersprechenden Entwicklungen bezüglich Tendenzen einer übergreifenden Eventisierung des Erlebens auf der einen und einer wachsenden Suche nach dezidiert nicht-eventhaften Erfahrungen bestimmen viele Diskussionen und drücken sich in diskursiven Gegensatzpaaren wie „Kommerzialisierung vs. ehrlicher Sport“ aus. Weniger Beachtung fand hierbei bisher die Frage, inwieweit diese Positionen auf unterschiedliche Haltungen zur Performativität von Sportveranstaltungen verweisen. Unter Einbeziehung eigener Erfahrungen sollen nachfolgend alternative Perspektiven auf Sport als Publikumsereignis entwickelt werden, die sich besonders deutlich, aber nicht ausschließlich, im Amateursport zeigen. Die möglichen Ansätze hinsichtlich einer performativen Ethik des Amateursports als gemeinsames Spiel werden dominant anhand des Fußballsports entwickelt, da sich dort aufgrund der hervorgehobenen gesellschaftspolitischen und sozioökonomischen Bedeutung (in der Bundesrepublik) bestimmte Entwicklungen prägnanter abzeichnen bzw. eingehender betrachtet wurden, die jedoch ebenso in anderen Bereichen auftreten.

Sportereignisse als performative Phänomene

Sobald Sport nicht alleine und unter Ausschluss von Beobachtung betrieben wird, handelt es sich immer um ein performatives Phänomen, das heißt ein Ereignis, dass sich im (un-)mittelbaren Zusammenspiel unterschiedlicher Akteur*innen im Hier-und-Jetzt entfaltet und im Vollzug körperlich-sinnlich sowie affektiv-emotional als gelebte Realität erfahren wird. Dabei verfügen Sportveranstaltungen, an denen ein Publikum (prinzipiell) teilhaben kann, vereinfachend gesagt über zwei korrespondierende Ebenen der performativen Hervorbringung. Das ist einerseits das sportliche Kräftemessen im Fokus der Aufmerksamkeit der (physisch anwesenden) Rezipierenden, die sich andererseits auch selbst in der spezifischen Umgebung wahrnehmen und darauf körperlich-sinnlich reagieren.[iv] Diese bewussten wie unbewussten Wirkungen können unter Umständen wiederum von anderen wahrgenommen werden, auf diese zurückwirken oder gar einen (unmittelbaren) Einfluss auf das sportliche Zusammentreffen nehmen. Entgegen der konstitutiven Verknüpfung der beiden zentralen Performativitätsebenen weisen die eventorientierten Inszenierungspraktiken vieler Sportveranstaltungen der Gegenwart Tendenzen einer Auftrennung auf.

Erfahrungsbericht „Zäune statt Picknick-Decken“

Eine halbe Stunde nach dem Aufstieg ihres lokalen Fußballclubs in die viertklassige Fußball-Regionalliga unterhalten sich zwei ältere Herren im Vereinsheim. Beide freuen sich über den sportlichen Erfolg. Dennoch gibt einer sinngemäß zu bedenken, dass sich nun das Zuschauen im Stadion verändern wird. Er hatte recht. Das lockere Fußballschauen in Parkatmosphäre mit Decke und neben dem Platz spielenden Kindern und Hunden ist seit dem Aufstieg vorbei. Obwohl die Zahl der Zuschauenden nur moderat gestiegen ist, bestimmen Zäune und Kontrollbereiche das Bild im Stadion. Neben der Trennung von Heim- und Gästeblöcken sowie der Einrichtung spezieller VIP-Bereiche ist nun auch das Vereinsheim an Spieltagen für normale Zuschauende gesperrt.

Versicherheitlichung: Passivierende Normierung der Beteiligungsperformanzen

Praktiken multipler Distanzierung sind Teil einer umfassenden Versicherheitlichung des Stadionerlebnisses, die in den Auflagen vieler (Sport-)Verbände von den Vereinen eingefordert wird. Im Zuge einer umfassenden Professionalisierung betreffen diese Entwicklungen nicht mehr nur Großereignisse in Multifunktionsarenen. Neben der Abwehr von unmittelbaren Bedrohungspotentialen führt dies ebenso zur Normierung der angebotenen Erlebniswelten. So werden vor allem Situationen verstärkter körperlicher Nähe zu den Spielenden auf den Plätzen, anderen Zuschauenden auf Stehplatztribünen oder gegnerischen Fans durch Zäune, Blocktrennungen oder eine wachsende Ausrichtung auf Sitzplätze reduziert, was zugleich die Entstehung von spontanen Affizierungsmomenten erschwert. Auch Einlasskontrollen sollen nicht nur direkte Gefahren, wie Waffen, sondern auch Formen der unkontrollierten Teilhabe, zum Beispiel durch Pyrotechnik, unterbinden. Die Ausweitung von Kontroll- und Normierungspraktiken auf der Produktionsebene gegenwärtiger Sportveranstaltungen dient auch dazu, das Versprechen eines besonderen Erlebens planbar zu machen. Als performative Ereignisse sind (Sport-)Events in ihrem Verlauf grundsätzlich kontingent, sodass die intendierten Erfahrungen sich immer auch anders entfalten oder sogar ganz ausbleiben können. Erwünscht ist eine aktive Teilhabe der Rezipierenden am Ereignis ausschließlich im Sinne der Rahmenbedingungen des Events oder in Form der Beteiligung an offiziell vorgeplanten Showelementen. Insgesamt ist bei live-Sportereignissen eine deutliche Tendenz der Zurichtung des Erlebnisses auf das Zuschauen zu beobachten, was die Ausbildung einer eigenständigen „Fähigkeit zum Antwortenkönnen“[v] bei den Rezipierenden erschwert. Auf diese Weise wird das Stadionerlebnis als vergleichsweise einheitliches Gut eines vorgeplanten Eventerlebnis produziert, dessen affektive Wucht zwar kollektiv konsumiert werden kann, aber nicht zwangsläufig gemeinsam erfahren oder hervorgebracht wird.

Höhepunkte einer zunehmenden Auftrennung der performativen Dimensionen von Sportereignissen sind voll-mediatisierte Public-Viewing-Praktiken oder die „Geisterspiele“ während der Corona-Pandemie. Dabei verweist jedoch der pandemiebedingte Verzicht auf Rezipierende in den Stadien ungewollt auf den doppelt performativen Charakter von live-Sportveranstaltungen, da die medialen Übertragungen optisch wie akustisch leer wirkten. Trotz der Fokussierung des Stadionbesuches auf das Zuschauen entsteht allein durch die körperliche Anwesenheit der Fans in der Arena eine spezifische live-Stimmung, die sich auch in die mediale Verwertung einschreibt ‑ selbst wenn sie vielfach nur als atmosphärisches Hintergrundrauschen wahrgenommen wird.

Ultra-Szene: Aktivierende Normierung der Beteiligungsperformanzen

Entgegen dieser Passivierungsdynamiken steht die (subkulturelle) Szene der (Sport-)Ultras für eine Betonung der konstitutiven Angewiesenheit von live-Sportveranstaltungen auf die Rezipierenden. Dementsprechend sehen Ultras ihre primäre Aufgabe im Support der „eigenen“ Mannschaft, um mit eigenen Performanzen in Form von Gesängen, Fahnen oder ganzen Choreographien ein wahrnehmbares Gegengewicht zum glatten Gesicht des „modernen Sports“ als vorproduziertem Konsumprodukt zu bilden und so die Veranstaltungen eigenständig zu prägen.[vi] Dennoch gibt es auch dort Dynamiken zur Verengung der performativen Potentiale. So existieren in vielen Ultra-Bereichen der Stadien eigene Verhaltensregeln, welche das Mitmachen normieren, indem sie beispielsweise von allen Anwesenden einen andauernden Support als Bekenntnis zur Mannschaft einfordern.[vii] Damit wird die eigentlich freiwillige Beteiligung der Rezipierenden in ein gewisses Zwangsverhältnis überführt. Auch die aufgerufenen Beteiligungsformen sind nicht frei verhandelbar. Die Anfeuerungsrufe der Capos werden im Rhythmus der Trommeln wiederholt,[viii] wodurch die Mitmach-Performances nach Maßgaben der Synchronizität organisiert wird. Dabei sind Wechselwirkungen mit dem ablaufenden Spiel intendiert, sodass der Support die „eigene“ Mannschaft „nach vorne peitscht“. Allerdings können sich die Aktivitäten der Ultra-Kurven auch (phasenweise) vom Spielgeschehen lösen und als Formen der (Selbst-)Beteiligung mit einer ausgeprägten eigendynamischen Erlebnisrationalität im Sinne einer „ihrerseits vororganisierten Szene-Eventdramaturgie“ parallel ablaufen.[ix] Diese kann als beeindruckender Support Teil eines metakommunikativen Wettstreits mit anderen Ultra-Gruppen sein oder als weitestgehend selbstreferentielle Aktivität selbst bei großer Lautstärke zu einer hintergründigen Dauerbeschallung für andere Stadionbesuchende werden.

Erfahrungsbericht „Alle gegen alle“

Am Rand von Berlin treffen zwei unterklassige Fußballvereine im Landespokal aufeinander. Nachdem die Heimmannschaft mit zwei Toren zurückliegt, wird das Spiel ruppiger. Als sich die Gäste nach einem ‑ für den Spielverlauf ‑ unnötig harten Einsteigen beschweren, geraten am Strafraumrand mehrere Spieler verbal aneinander. Ein vom Heimteam verpflichteter Linienrichter rennt auf das Spielfeld. Allerdings nicht, um zu schlichten, sondern um seine Teamkollegen bei der Auseinandersetzung zu unterstützen.

Unfair: Von mangelnder Spielbereitschaft

Der Wettkampfsport verfügt über eine ausgeprägte Erfolgslogik, sodass aus dem körperlich ausgetragenen und deshalb besonders ernsthaft erscheinenden Wettstreit der Spielenden eine spezifische Spannung entsteht. Dabei kann sich die Konfrontation innerhalb des vorgegebenen Regelsystems bewegen oder den Rahmen des fairen Kräftemessens (temporär) verlassen, was im organisierten Sport in der Regel durch nominell unparteiische Schiedsrichter*innen überwacht wird. Dennoch kommt es insbesondere im professionellen Sportbereich mit wachsendem ökonomischen Vermarktungsdruck zu einer zunehmenden Entkopplung von (sportlichem) Erfolg und Fairness, die Nicolas Wirtz als nachlassende „Spielbereitschaft“ beschreibt: „Von den Spielenden wird im Spiel erwartet, dass sie gewinnen (wollen) und zwar mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.“[x] Eine solche Leistungsorientierung führt neben der Aufkündigung des regelgeleiteten Spielens gegenüber den Kontrahent*innen, ebenfalls in der Tendenz zur Individualisierung sportlicher Performanz innerhalb einer Mannschaft. Dabei reproduzieren sich die gesellschaftlichen Dynamiken der Besonderung in der kulturindustriellen Heroisierung herausragender Spieler*innenpersönlichkeiten als singuläre „Stars“ (zu Vermarktungszwecken)[xi] und beeinflussen so die verbreiteten Vorstellungen von anzustrebender Sportlichkeit im Allgemeinen. Die unbestreitbare Professionalisierung des Amateursports geht so ebenfalls mit der Diffusion von bestimmten Haltungen und Logiken des professionellen Sportbereichs einher. Dementsprechend sind Szenen, wie die oben beschriebene, inzwischen gerade in unteren Ligen leider regelmäßig zu beobachten. Wenn das gemeinsame Spiel zunehmend von außengeleiteten Motivationen, wie dem Druck zur andauernden Selbstinszenierung als besonders performende Spieler*in, überlagert wird, lädt dies zur unsportlichen Überschreitung der verschwimmenden Spielgrenzen ein.

Sport als Resonanzoase

Dennoch wird dem Amateursport im Vergleich mit dem professionellen Bereich eher zugeschrieben, extrinsische Leistungslogiken mit einer intrinsischen „Liebe zum Spiel“ zu verbinden.[xii] Im Angesicht zunehmender Professionalisierungsdynamiken sind es unter Umständen genau jene Momente, in denen diese „Liebe“ aufscheint, die den Reiz der entsprechenden Ereignisse ausmachen und die es selbst in der oben angesprochenen Begegnung gab. Während die Spieler der Heimmannschaft vor allem mit individuellen Aktionen Akzente zu setzen versuchten und beim Scheitern die Mitspielenden verantwortlich machten, baute die Gastmannschaft über Zurufe ihr Spiel konsequent als Team auf und kam so zu dem von den Fans bejubelten Erfolg. Das schien auch die Gäste-Spieler sichtlich glücklich zu machen, die bei Auswechslungen an das andere Ende des Platzes getrabt kamen, um mit allen Fans (auch den gegnerischen) lächelnd abzuschlagen. Aus der gelingenden, das heißt die eigenen Erwartung erfüllenden, Verbindung zwischen den individuellen körperlichen und mentalen Anstrengungen sowie dem kollektiven Zusammenspiel mit anderen im Spielfluss können bei der sportlichen Betätigung spezifische Selbstwirksamkeitserfahrungen entstehen, die Hartmut Rosa im Sinne von Gefühlen, „mit sich in Einklang“ zu kommen, als resonante Weltverhältnisse beschreibt.[xiii] Sport (als Wettkampf) ermöglicht somit die Etablierung von Antwortverhältnissen zwischen allen Beteiligten. Dabei umfasst die wechselseitige Anverwandlung von Welt im Spiel neben den Mit- und Gegeneinander-Spielenden ebenfalls die Rezipierenden. Wenn Rosa jedoch zugleich betont, dass das Fan-Sein „nur eingeschränkte Selbstwirksamkeitserfahrungen möglich macht“,[xiv] geht er ausschließlich vom professionellen Fußballsport aus und vernachlässigt gerade die spezifischen Erlebniswelten des Amateursports.

Fazit: Zum gemeinsamen Spiel(-en)

Letztendlich führen die beschriebenen Tendenzen bezüglich einer Auftrennung der performativen Ebenen bei professionellen Sportereignissen im kulturellen Kapitalismus dazu, dass zwar eine (erfahrende) Teilhabe an den Events eröffnet wird, ohne diese jedoch umfänglich (gemeinsam) gestalten zu können. Das Versprechen von Resonanzerfahrungen erschöpft sich „in einer durch warenförmige Simulation erzeugten Echowirkung“,[xv] was zu einem gesteigerten Verlangen nach einem noch weiter besonderten Erleben führt. Die zunehmende Eventisierung der sportlichen Erlebniswelt im professionellen Bereich lässt genuine Resonanzachsen verstummen, die stattdessen gegenwärtig eher im Amateurbereich angesprochen werden. So verweisen die beschriebenen Erfahrungen auf eine alternative Ethik des Sports, die statt der theoretischen wie praktischen Parallelisierung unterschiedlicher Singularitätsperformanzen eine Verbindung der vielfältigen Performativitätsebenen im Sinne eines gemeinsamen Spiels anstrebt. So werden die inhärenten ludischen Qualitäten der entsprechenden Ereignisse betont, die als immersive Kollektivperformanzen Erlebniswelten eröffnen, „in welche die Mitspielerin aktiv eintreten kann, in der sie im geschehen von Moment zu Moment engagiert ist.“[xvi] Die multidimensionalen Spielperformanzen umfassen neben dem sportlichen und anerkennenden Wettkampf der aktiv Spielenden (als Teams) mit ihren Kontrahent*innen ebenso die Aktivitäten der Rezipierenden, die sich mit ihren Mitteln ebenfalls im Rahmen der gebotenen Fairness auf das Geschehen beziehen (können). Das Kollektive wird so von einem (vermarktbaren) Versprechen zum Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen als kollektiver Performanz im Ereignis-Verlauf, die auch Scheitern kann. Im Idealfall entsteht jedoch ein affizierendes Erleben von vielfältigen Resonanzbeziehungen, die einen Kontrapunkt zu den sich zunehmend entfremdenden Lebensumständen der Gegenwart zu bilden können,[xvii] ohne dass die auslösenden Ereignisse besonders spektakulär sein zu müssen, aber gerade aufgrund des fehlenden Spektakel-Charakters nichtsdestoweniger besonders sind. 

Erfahrungsbericht „Kollektive Synchronisierung ohne Takt“

Beim letzten Heimspiel, das ich von der Fraueneishockeymannschaft besucht habe, war die Trommel in der Fankurve während der Drittelpausen unbesetzt und zwei Kinder probierten sich an ihr aus. Sie hatten Spaß daran und durften auch während des Spiels weitermachen. Obwohl ihre Rhythmen eher improvisiert waren, versuchte der Block gemeinsam darauf zu singen. Das Spiel ging zwar verloren, aber alle hatten gemeinsam Spaß.  


Über den Autor

Sebastian Sommer (M.A.) ist Theaterwissenschaftler und promoviert derzeit an der Freien Universität Berlin zu den performativen Ausdrucksformen des völkisch-autoritären Populismus in der Bundesrepublik am Beispiel der PEGIDA-Demonstrationen in Dresden. Zudem ist er ehrenamtlicher Ko-Koordinator vom Arbeitskreis „Rechte Protestmobilisierungen“ am „Institut für Protest- und Bewegungsforschung“ in Berlin. Seine Freizeit verbringt er gerne mit netten Menschen bei zumeist schlecht besuchten Sportveranstaltungen auf der ganzen Welt.


[i]Reckwitz, Andreas (2017), Die Gesellschaft der Singularitäten: Zum Strukturwandel der Moderne, Berlin, S. 7.

[ii]Hitzler, Ronald (2011), Eventisierung: Drei Fallstudien zum marketingstrategischen Massenspaß, Wiesbaden, S. 21.

[iii]Die Bezeichnung Amateursport wird hier für jene sportlichen Aktivitäten verwendet, mit denen die Beteiligten nicht ihren kompletten Lebensunterhalt bestreiten können. Zur Begriffsdiskussion am Beispiel des bundesdeutschen Fußballsports: vgl. Naglo, Kristian / Brandt, Christian / Kotthaus, Jochem (2020), „Facetten des Amateurfußballs“, in: Fußball und Gesellschaft, Heft 1/2020, Opladen, S. 3‑21, hier S. 7ff.

[iv]Kolesch, Doris / Knoblauch, Hubert (2019), „Audience emotions“, in: Slaby, Jan / von Scheve, Christian (Hrsg.): Affective Societies: Key Concepts, London/New York, S. 252‑263, hier S. 256

[v]Alkemeyer, Thomas (2006), „Rhythmen, Resonanzen, Missklänge: Über die Körperlichkeit des Sozialen im Spiel“, in: Gugutzer, Robert (Hrsg.): Body Turn: Perspektiven der Soziologie des Körpers und des Sports, Bielefeld, S. 265‑295, hier S. 280.

[vi]Für einen Überblick zu den Merkmalen der Ultra-Szene: s. Thalheim, Vinzenz (2019), „Ultras und der Fußball-Event: Vom Miteinander-Machen zum Selber-Machen und dem Machen der Sozialen Arbeit“, in: Fußball und Gesellschaft, Heft 2/2019, Opladen, S. 220‑239, hier S. 224ff.

[vii]Beispielhaft stehen hierfür die internen Regeln der „Südtribüne“ von der Fanszene Hansa Rostocks, die aufgrund ihres frauenfeindlichen Charakter kontrovers diskutiert wurden: Gaitzsch, Martin (2021): “Keine Weiber in den ersten 3 Reihen”: Regeln im Rostocker Fan-Block werfen Fragen auf“, https://www.tag24.de/sport/fussball/bundesliga/zweite-bundesliga/keine-weiber-in-den-ersten-3-reihen-regeln-im-rostocker-fan-block-werfen-fragen-auf-2138091, (11.11.2022).

[viii] Kolesch / Knoblauch, „Audience emotions“, S. 258.

[ix]Thalheimer, „Ultras und der Fußball-Event“, S. 235.

[x] vgl. Wirtz, Nicolas (2019), „Perspektiven zum Fairplay: Zwischen Spielbereitschaft und theatralischem Simulieren ‑ Perspektiven zum Fairplay im Fußball“, in: Fußball und Gesellschaft, Heft 2/2019, Opladen, S. 144‑157.

[xi] Reckwitz, Die Gesellschaft der Singularitäten, S. 100.

[xii] Naglo / Brandt / Kotthaus, „Facetten des Amateurfußballs“, S. 10.

[xiii] Rosa, Hartmut (2019), Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung. Berlin, S. 422

[xiv] Rosa, Hartmut, Resonanz, S. 427.

[xv] Rosa, Hartmut, Resonanz, S. 621.

[xvi] Reckwitz, Die Gesellschaft der Singularitäten, S. 91 (Hervorhebung i. O.).

[xvii] Rosa, Hartmut, Resonanz, S. 421.

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