In einem Aufsatz zum aktuellen Stand der Diskursanalyse aus sprachwissenschaftlicher Sicht wird zum Einstieg reflektiert, in welchen Bedeutungsdimensionen das Wort „Diskursanalyse“ überhaupt im Kontext gegenwärtiger Forschung benutzt wird. Der Autor identifiziert dabei drei zentrale Verwendungsweisen: Die Diskursanalyse 1. als Theorie oder 2. als Methode – so weit nicht überraschend. Die dritte Verwendung wird in den von ihm gesichteten Texten nicht explizit so genannt, dennoch fasst er sie so zusammen: Die Diskursanalyse als Haltung.[1]
Hier soll es nicht um Diskursanalyse gehen – auch wenn sie eine der zentralen Methoden ist, mit denen wir beide arbeiten. Vielmehr finden wir die Beobachtung interessant, dass wissenschaftliche Zugänge zur Welt auch als Haltung begriffen werden können. Wenn wir in unserem Podcast über die Inhalte von wissenschaftlichen Studien diskutieren oder ihre Ergebnisse auf popkulturelle Phänomene anwenden, geht es uns nie primär darum, Theorien zu vermitteln oder Methoden zu erklären. Zwar kann beides ein schöner Nebeneffekt sein, im Zentrum steht aber einfach die Idee, transparent zu machen, wie wissenschaftliches Arbeiten, Denken und Handeln funktionieren kann – und auch schlicht zu zeigen, dass und warum es Freude macht.
Mit einer wissenschaftlichen Haltung geht einher, Neuem gegenüber interessiert zu begegnen, im scheinbar Vertrauten Neues zu entdecken und vor allem auch, die eigene Haltung im Dialog mit anderen offenzulegen, sich angreifbar zu machen und so gemeinsam zu neuen Lösungsansätzen zu gelangen. Insofern ist Wissenschaft immer auch Vermittlung und jede ernsthaft versuchte Form der Vermittlung von wissenschaftlichen Inhalten kann vor diesem Hintergrund als ein Stellungbeziehen gelesen werden.
Eine solche Haltung einer breiteren als der universitären Öffentlichkeit zugänglich zu machen, verstehen wir auch als einen – und das heißt explizit nicht: den einzigen oder gar den besten, sondern einfach nur: unseren – Weg, den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen. Denn wie der Wissenschaftsphilosoph und -soziologe Bruno Latour in Bezug auf eine dieser Krisen, die bevorstehende Klimakatastrophe, sagt:
„We have to admit it: there is not one single issue – about what to eat, how to build a house, how to move in space, what clothing to wear, how to heat or cool a space, which resource to rely on, which production to favor, which plant to grow, which animal to defend, where to settle – not one issue that is not the source of controversy with dividing lines crisscrossing each of the participants. […] This explains the strange mixture of total mobilization leading to a state of paralysis that transform many of our contemporaries into moral wrecks.“[2]
Um angesichts solcher Komplexitäten eben nicht zu erstarren oder gar zum moralischen Wrack zu werden, kann man die Lösung nur im gemeinsamen Handeln suchen: Sich über Fragen, Probleme und Unsicherheiten austauschen; Lösungsansätze erzählen, erproben und erweitern; Haltungen reflektieren, revidieren und als neues Handeln realisieren. Und diesen Kreislauf immer und immer wieder am Leben erhalten sowie dabei andere miteinbeziehen.
In unserer 28. Podcast-Folge „Wissenschaft, Vermittlung & Vertrauen (feat. Verena)“, die ihr auf Spotify oder YouTube anhören könnt, diskutieren wir mit Verena von philosophike über Wissenschaft, Vermittlung und Vertrauen – gerahmt durch die Frage, warum es Menschen gerade in aktuellen Zeiten so schwerfällt, Wissenschaftler*innen zu vertrauen.
Über die Autor*innen: Rebecca (eine Philosophin) und Paul (ein Linguist) plaudern, diskutieren und analysieren gern. In ihrem Podcast „Analytischer Kaffeeplausch“ sprechen sie über Wissenschaft und Popkultur – und alltägliche Situationen, in denen Geisteswissenschaftler*innen (vielleicht) hilfreich wären.
[1] Vgl. Gardt, Andreas (2007): Diskursanalyse – Aktueller theoretischer Ort und methodische Möglichkeiten. In: Ingo H. Warnke & Jürgen Spitzmüller (Hrsg.): Diskurslinguistik nach Foucault. Theorie und Gegenstände. Berlin, New York: de Gruyter, 27–52. Hier S. 39.
[2] Latour, Bruno (2020): Seven Objections Against Landing on Earth. In: Bruno Latour & Peter Weibel (Hrsg.): Critical Zones. The Science and Politics of Landing on Earth. Cambridge: MIT Press, S. 12–19. Hier S. 16. Alternativ: http://www.bruno-latour.fr/sites/default/files/downloads/168-INTRO-CATALOG-semi-final-pdf_0.pdf