Eine wichtige Debatte der letzten Jahre: Die Frage nach der richtigen Art und Weise schriftlich wie auch beim Sprechen zu gendern. Doch gendersensible Sprache, egal ob gesprochen oder geschrieben, ist nicht für alle Menschen gleich leicht umzusetzen. Es bedarf Übung und auch einem gewissen Willen, sich mit der Thematik, um gleichberechtigte und gendersensible Sprache auseinanderzusetzen. Wichtig vorab ist im Rahmen dieser Diskussion, dass auch die allgemein häufig als nicht-gegenderte Sprache betitelte Sprache – also das generische Maskulinum – gegenderter Sprache ist: Wenn das generische Maskulinum verwendet wird, wird nämlich auch gegendert, nur eben in der einen Form. Gegenderte Sprache ist also nicht identisch mit geschlechtergerechter Sprache.
Wo zunächst das Binnen-I (also LeserInnen) oder die verkürzte Paarform (Leser/-innen) als ‚richtige Lösung‘ galt, wurde bald erkannt, dass das Binnen-I eine binäre Genderbasis zu Grunde legt. Da sich jedoch nicht alle Menschen als weiblich oder männlich definieren, entstand zunächst der Unterstrich/die Gendergap (Leser_innen). Hier wird deutlich, dass es Raum gibt, zwischen Männlich und Weiblich. Doch Menschen, die sich innerhalb dieses Raumes verordnen, werden noch immer als ‚Masse dazwischen‘ gedacht und nicht konkret ‚angesprochen‘. Heute ist das gängigste Zeichen der Asterisk[i] (Leser*innen). Er symbolisiert die Gendervielfalt neben männlich und weiblicher Zuordnung (genderfluid, transgender, genderneutral), er schließt also nichtbinäre und transgender Personen mit ein.
Beim Schreiben wird der Asterisk bzw. das Gendersternchen als Symbol sichtbar, im Sprechen wird dort, wo sich das * befindet, eine kleine Sprechpause (Genderpause/Glottisschlag) eingefügt, um die gendersensible Form (Leser*innen) vom weiblichen Plural (Leserinnen) zu unterscheiden. Gerade diese Sprechpause im Reden bedarf etwas Übung, fällt aber bei gewohnten Worten, wie Theater (The-ater) oder Spiegelei (Spiegel-ei) recht leicht. Diese Sprechpause auf neue Konstellationen wie bspw. Leser*innen (Leser-innen) zu übertragen, ist also reine Übungssache.[ii] Neben diesen Möglichkeiten zu gendern gibt es zusätzlich noch die Möglichkeit sich in Sprache und Schrift genderneutralen Begriffen und Formulierungen zu bemühen (z. B. Lesenden).
All dies sind Optionen, wie gendersensible Sprache die Vielzahl als Genderidentidäten nicht nur mitdenken, sondern mitschreiben und -sagen kann. Doch warum das Ganze eigentlich? Sprache prägt unsere Welt und was wir hören und lesen formt Bilder in unseren Köpfen. Bei Sätzen wie „Der Lehrer schreibt etwas an die Tafel.“ oder „Der Arzt betritt den OP.“ Entsteht all zu häufig das Bild eines männlichen Lehrers oder Arztes vorm inneren Auge, obwohl, so Kritiker*innen gendersensibler Sprache, das generische Maskulinum[iii] als inkludierend definieren, da es in seiner Funktion geschlechtsabstrahierend eingesetzt wird.
Doch die Diskussion um das generische Maskulinum lässt sich nicht so leicht abbügeln. Natürlich gibt es Kritiker*innen des Genderns und gendergerechter Sprache, die es einfach nicht für nötig halten, zu gendern, die zufrieden sind mit dem Ist-Stand und es für Nörgelei ‚von Frauen‘ halten und sich hinter vermeintlich schon erreichter Gleichberechtigung verstecken oder gar weitere Geschlechtsidentitäten über männlich und weiblich hinaus für Unsinn halten. All dies sind schlechte gründe für ein generisches Maskulinum. Denn Gleichberechtigung ist noch immer ein Thema und es existieren mehr als zwei Genderidentitäten. Das muss undiskutabel sein.
Was jedoch diskutabel sein kann, ist der Denkweg, der zum generischen Maskulinum als tatsächlich generischer und nicht nur scheinheilig generischer Form führen kann. Zu dieser Thematik hat in 2020 ein Artikel von Nele Pollatschek im Tagesspiegel Wellen geschlagen, in dem zwei mögliche Denkrichtungen zum Umgang mit gendersensibler Sprache aufgezeigt werden.
Nele Pollatschek echauffiert sich in ihrem Beitrag „Deutschland ist besessen von Genitalien – Gendern macht die Diskriminierung nur noch schlimmer“ darüber, dass sie in einem Star Trek Podcast als Gästin vorgestellt wurde. Zunächst, so vielleicht der Gedanke all jener Personen, die sich viel mit gendersensibler Sprache beschäftigen, eine sehr aufmerksame Geste. Doch was dahintersteckt (oder dahinterstecken kann), so Pollatschek, ist das Hervorheben ihres Geschlechts.
„Plötzlich fragte ich mich, ob ich eingeladen wurde, weil ich mehr Star Trek geschaut habe als jeder andere Mensch, der nicht im Keller seiner Mutter wohnt, oder weil ich aussehe wie jemand, der eine Vagina hat (habe ich, dazu später mehr). Auch das ist gut gemeint, aber es fühlt sich nicht gut an. Ich fühle mich in solchen Situationen auf mein Geschlecht reduziert. Ich fühle mich so, weil es de facto so ist.“[iv]
Ihr Geschlecht wird, entgegen anderer Identität stiftender Merkmale, besonders betont. Ihre Herkunft wird nicht besonders betont, auch nicht ihre Religion oder ihr Aussehen. Aus guten Gründen. Die Betonung von Herkunft und Religion hat historisch gesehene nie zu Gutem geführt, sondern diskriminierende, rassistische oder antisemitische Strukturen offenbart und gestärkt.
Nele Pollastchek fragt sich: „Warum fühlt sich Schriftstellerjude oder Schwarzgast so verdammt falsch an, wenn Schriftstellerin und Gästin im öffentlichen Diskurs nicht nur in Ordnung, sondern auch noch anti-diskriminierend sein sollen.“[v] Und rekurriert in ihrem Artikel auf einen englischen Professor, der sie darauf ansprach, ob denn die deutschen Feminstinnen nichts dagegen täten, dass Angela Merkel als Bundeskanzlerin betitelt würde. „Was der Professor meinte, war schlichtweg dies: Tun die deutschen Feministen denn nichts dagegen, dass es unterschiedliche Wortformen für Männer und Frauen gibt, dass also Männer und Frauen sprachlich unterschiedlich behandelt werden?“[vi] Pollatscheks Erklärung darauf – und vermutlich auch allgemein hin die gängigste Reaktion darauf – war, zu verdeutlichen, dass es bei gendergerechter Sprache um die Sichtbarmachung von pluralen Genderidentitäten geht. Die Betitelung Angelas Merkels als Bundeskanzlerin und nicht als Bundeskanzler soll deutlich machen, dass das Amt des Bundeskanzlers eben auch von einer Frau besetzt werden kann.
Der Professor – und so auch Pollatschek in ihrem Beitrag, sehen jedoch im Gendern ein diskriminierendes Moment. Bildet man Analogie zu anderen Identitätsbeschreibungen, so wird dies deutlich dadurch, dass andere Identitätsbeschreibungen oder -merkmale eben nicht mitgesagt oder mitgedacht werden (sollen). Pollatscheks These:
„Wenn wir im Deutschen gendern, dann sagen wir damit: Diese Information ist so wichtig, dass sie immer mitgesagt werden muss. Und wir sagen: Nur diese Information muss immer mitgesagt werden. Es ist richtig, auf alle anderen Identitätskategorien nur dann zu verweisen, wenn sie relevant sind, nur das Geschlecht wird immer angezeigt, damit machen wir es zur wichtigsten Identitätskategorie.“[vii]
Und genau dieses stete Betonen und Hervorheben des Geschlechts beinhaltet demnach strukturell ein diskriminierendes[viii] Moment. Das heißt, dass wir aus guten Gründen Identitätsbeschreibungen wie Religion und Herkunft nicht nennen, aber das Geschlecht zur definierenden, immer mitzusagenden Kategorie erheben. „Wenn wir gendern, sagen wir damit, diese Information darf niemals nicht gesagt werden.“ [ix] Pollatschek kritisiert, dass es zudem zumeist in vielen Gender-Situationen um das wahrnehmbare Geschlecht (die Stimme oder die Optik) geht und nicht um Genderidentitäten, da zumeist einfach ‚drauflosgegendert‘ wird, ganz nach Einschätzung der gendernden Person und nicht der gegenderten.[x] Pollatschek verweist in ihrem Artikel darauf, dass das generische Maskulinum durchaus progressiv verwendet werden kann:
„Zu dem Zeitpunkt, als deutsche Zeitschriften, vor allem die eher links-progressiven, anfingen, anstatt von „Schauspielern“ von „Schauspielern und Schauspielerinnen“, Schauspielenden, SchauspielerInnen, Schauspieler_innen und Schauspieler*innen zu schreiben, beschloss der „Guardian“ – die englische Zeitung der feministischen Linken – nur noch das Wort „Actor“ zuzulassen und „Actress“ zu streichen.“[xi]
In diesem Umgang zeigt sich eine gänzlich andere Grundtendenz. Auf der einen Seite steht der deutsche Ansatz der einst der Sichtbarmachung von Frauen und dem Ziel der Gleichberechtigung entsprang, auf der anderen Seite der britische, der gänzlich entgegengesetzt sagt, dass Termini wie actress, lady doctor oder male nurse einer Zeit entspringen, in der bestimmte Berufe nur einem bestimmten Geschlecht offen standen und man daher zu dieser Zeit das andere Geschlecht extra betonen musste. Heute, wo jedoch Berufe allen Geschlechtern offenstehen, ist diese extra Hervorhebung nicht mehr nötig.[xii]
„Um es anders zu sagen: Während die Deutschen sich für das permanente Benennen von Geschlechterunterschieden entschieden haben, haben die Briten sich entschieden, das Anzeigen von Geschlechtlichkeit so weit wie möglich zu vermeiden. Dafür haben sie mit typisch britischer Pragmatik, die Form gewählt, die ihre Sprache sowieso als generisch hergibt. Diese Form ist im Englischen, genau wie im Deutschen, identisch mit der männlichen Form.“[xiii]
Diese beiden Denkwege werfen nun ein nicht zu leugnendes Henne-Ei-Problem auf: Sind bestimmte Begriffe wie Arzt, Lehrer oder andere Berufsbezeichnungen inhärent männlich und bedürfen daher einer parallelen weiblichen (und dann konsequenter Weise auch einer über die veraltete Geschlechterbinarität hinausgehender pluralerer) Form oder sind die männlichen Formen tatsächlich inhärent generisch und wirken nur teils männlich, da sie historisch einst männlich geprägt waren?[xiv] Ist letzteres der Fall, so ergibt die britische Variante durchaus Sinn.[xv]
Die Frage des Genderns ist also in beide Richtungen denkbar. Wollen wir eine Sprache, die Diversität abbildet und dadurch allerdings auch das Geschlecht betont oder wollen wir durch taten und Handlungen Begriffe (historisch) neu prägen? Als Bundeskanzlerin kennen viele Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland derzeit nur eine Frau und Brack Obama hat das Bild des (weißen) Präsidenten neu geprägt, sodass in den USA für viele lange ein afroamerikanischer Präsident die Norm war.[xvi]
In Deutschland haben wir uns derzeit schon vor Jahren dafür entschieden Frauen (und nun auch weitere Genderidentitäten) sichtbar (und auch les- und hörbar) zu machen. In Großbritannien wurde sich dazu entschieden, das Geschlecht nicht zu einer Personendefinierenden übergeordneten Kategorie werden zu lassen. Beide Wege haben durchaus ihren Charme und ihre Berechtigung, entspringen aber auch sehr unterschiedlichen Sprachsystemen.[xvii]
Doch was sie in ihrer Unterschiedlichkeit eint: Sie können nicht bis zum Ende parallel gegangen werden. Man muss sich irgendwann für einen Weg – oder später für einen Richtungswechsel – entscheiden. Nach bestem Wissen und Gewissen. Und diese Entscheidung scheint gesamtgesellschaftlich gefallen zu sein.
Pollatschek bezeichnet das Gendern in ihrem Artikel als sexistisch. „Gendern ist eine sexistische Praxis, deren Ziel es ist, Sexismus zu bekämpfen.“[xviii] Obwohl es ihrer Meinung nach viele falsche Gründe gegen das Gendern gibt (z.B. das Aussprache-Problem[xix]), gibt es ihrer Ansicht nach eben auch einen guten Grund gegen das Gendern:
„Im Grunde gibt es nur ein einzig wirklich gutes Argument gegen das Gendern: Es ist leider sexistisch. Ich sage leider, denn Menschen, die Gendern sind grundsympathisch. Wer gendert, tut das in der Regel, um auf sprachliche und gesellschaftliche Ungerechtigkeiten hinzuweisen.“[xx]
In Anbetracht des eingeschlagenen Wegs jedoch und der Unmöglichkeit beide Wege zugleich als Gesellschaft zu bestreiten, ist jedoch fraglich, ob Pollatscheks Grund wirklich ein guter ist. Denn sich als Gesellschaft für keinen der Wege zu entscheiden oder einfach im Dazwischen zu verweilen ist keine Lösung. Sichtbarkeit, Berufswahl von Jugendlichen und Berufswünsche von Kindern, Stereotype Zuschreibungen zu Geschlechtern, Transfeindlichkeit, Gleichberechtigung, Gleicher Lohn, Erziehungsurlaub, Care-Arbeit, Teilzeitbeschäftigung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf… das alles sind relevante und wichtige Themen, die eng verwoben mit dem Gender(n) sind. Weiterhin müssen wir über Gender(n) sprechen und uns bestem Wissen und Gewissen eine Strategie überlegen. Diese muss im privaten vielleicht nicht identisch mit derjenigen sein, die als Gesellschaft notwendig ist- Wichtig jedoch ist, aufzuklären, zu reflektieren, zum Nachdenken anzuregen. Daher werden wir uns auf philosophike in diesem Jahr mit unterschiedlichen Beiträgen zum Thema Gender(n) mit der Thematik beschäftigen. Wie bei philosophike die Idee zur tieferen Beschäftigung mit dem Thema Gender(n) entstand ist übrigens in einem Video auf dem YouTube-Channel LitosoPHie nachzuvollziehen.
Über die Autorin: Verena Häseler ist Promotionsstipendiatin der Universität Kassel, Lehrbeauftragte für Philosophie, Soziologie und Wissenschaftliches Arbeiten an der Universität Kassel, der Leuphana Universität Lüneburg sowie der Hochschule für Polizei und Verwaltung (HfPV) Kassel. Herausgeber*in & Mitbegründerin von philosophike.de.
[i] Von lateinisch asteriscus „Sternchen“ zu aster und altgriechisch astēr „Stern“.
[ii] An dieser Stelle sei erwähnt, dass sowohl das Gendersternchen als auch die Gendergap (der Unterstrich) nicht wirklich barrierefrei sind. Vorleseprogramme erkennen diese nicht immer als Zeichen gendersensibler Sprache. Auch Brailleschrift-Displays für sehbehinderte oder blinde Menschen haben diese Mängel. Daher wird als barrierearm derzeit für beide Programme der Doppelpunkt empfohlen, da dieser in Vorleseprogrammen eine eindeutige Sprachpause erzeugt, wobei auch er nicht problemlos ist. (Vgl. hierzu u a. Weissenburger, Peter: Gendern und Barrierefreiheit – Liebe Leser Unterstrich innen, Dlf online, 03.03.2021, https://www.deutschlandfunk.de/gendern-und-barrierefreiheit-liebe-leser-unterstrich-innen.2907.de.html?dram:article_id=493455 (05.03.21) )
[iii] Unter dem generischen Maskulinum versteht man in der deutschen Sprache die Gewohnheit oder Methode, bei grammatisch männlichen (also maskulinen) Personen- oder Berufsbezeichnungen (wie z. B. Arzt), die durchaus auch eine feminine Wortform (Ärztin) haben, dennoch verallgemeinernd (also generisch) die männliche form für alle Personen zu verwenden. Bei der generischen Verwendung des Maskulinums sind dann nicht nur männliche Personen gemeint, sondern auch alle nichtmännlichen Personen. Das generische Maskulinum soll also geschlechtsabstrahierend verwendet werden, vor allem dann, wenn es nicht um eine konkrete Person geht, sondern um eine Gruppe diverser Personen.
[iv] Pollatschek, Nele: Deutschland ist besessen von Genitalien – Gendern macht die Diskriminierung nur noch schlimmer, der Tagesspiegel, online, 30.08.2020, o. S. (https://www.tagesspiegel.de/kultur/deutschland-ist-besessen-von-genitalien-gendern-macht-die-diskriminierung-nur-noch-schlimmer/26140402.html 04.03.2021)
[v] Pollatschek: Deutschland ist besessen von Genitalien.
[vi] Pollatschek: Deutschland ist besessen von Genitalien.
[vii] Pollatschek: Deutschland ist besessen von Genitalien.
[viii] Diskriminierung stammt etymologisch gesehen von dem lateinischen Verb discriminare „trennen, absondern, abgrenzen, unterscheiden“ ab.
[ix] „Es ist (heute) selbstverständlich, dass beim Wort Lehrerzimmer oder Schriftstellerverband auch jüdische Lehrer und schwule Schriftsteller gemeint sind, ohne dass wir vom Schriftsteller*schwulen-Verband oder vom Lehrer*juden-Zimmer sprechen, nur weibliche Lehrer und Schriftsteller sollen extra genannt werden. Wenn wir gendern, sagen wir damit, diese Information darf niemals nicht gesagt werden. Ein türkischer, ein behinderter, ein schwuler Autor, Lehrer oder Immobilienmakler kann manchmal auch einfach nur ein Mensch sein, der Bücher schreibt, Kinder ausbildet oder schimmeligen Baumarktstuck als Liebhaberstück verkauft. Nur eine Frau wird das Frausein niemals los. Und wenn sie sich doch mal als Schriftsteller bezeichnet, erinnert sie ein Kollege. Er erinnert sie daran, dass sie aufgrund ihres Geschlechts niemals Schriftsteller sein kann, sondern immer nur Schriftstellerin, eine Ableitung, eine Form, die eine Grundform braucht, um überhaupt existieren zu können.“ Pollatschek: Deutschland ist besessen von Genitalien.
[x] Vgl. Pollatschek: Deutschland ist besessen von Genitalien.
[xi] Pollatschek: Deutschland ist besessen von Genitalien.
[xii] Vgl. Pollatschek: Deutschland ist besessen von Genitalien.
[xiii] Pollatschek: Deutschland ist besessen von Genitalien.
[xiv] Vgl. Pollatschek: Deutschland ist besessen von Genitalien.
[xv] „Aus englischer Perspektive ist Letzteres der Fall. Das Wort “Prime Minister” bezeichnet de facto für den Großteil der englischen Geschichte einen Mann, einfach schon deshalb, weil Frauen weder wählen noch gewählt werden durften. Das Wort war nicht deshalb männlich, weil es sprachlich männlich ist, sondern weil es in der Realität männlich war. Die englische Lösung für dieses Problem ist es nicht, eine weibliche Form einzuführen, obwohl “Prime Ministress” durchaus ginge, sondern eine Frau zu wählen. Mit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts 1928 und spätestens ab 1979, als Margaret Thatcher Premier wurde, wurde das Wort “Prime Minister” faktisch generisch, konnte Männer und Frauen bezeichnen und wird mit jedem weiblichen PM immer generischer, wobei zur vollen Gleichheit noch einige Dutzend weibliche “Prime Ministers” fehlen. Genauso wie das Wort “US-President” für die ersten Jahrhunderte der amerikanischen Geschichte per Gesetz nur Weiße bezeichnen konnte und faktisch bis 2008 nur weiße Männer bezeichnet hat. Die Realität, also Barack Obama, hat die Sprache verändert. Obama hat die Bedeutung des Wortes “US-President” um seine eigene Identität erweitert. Konkret bedeutet Obamas Präsidentschaft, dass es Jugendliche gibt, die beim Wort Präsident zuerst an einen schwarzen Mann denken, weil der Präsident, mit dem sie aufwuchsen, eben schwarz war. Genau wie es bis heute Menschen gibt, deren erste Assoziation, wenn sie “Prime Minister” hören, eine Frau ist, einfach weil diese Frau, Margaret Thatcher, sich während ihrer elf Jahre als Premier in das kollektive Gedächtnis einbrannte wie kein anderer Premier der Nachkriegszeit.“ Pollatschek: Deutschland ist besessen von Genitalien.
[xvi] Vgl. Pollatschek: Deutschland ist besessen von Genitalien.
[xvii] Auf Englisch gibt es nur wenige Wörter/Personenbezeichnungen, die gegendert sind (actor/actress; aunt/uncle; duke/dutchess; king/queen – und z. B. entspringen die letzten beiden aus einem sehr antiquierten Weltbild). Viele Berufsbezeichnungen hingegen sind neutral – weil im Englischen (im Gegensatz zum Deutschen) Genus eher die Ausnahme als die Regel ist. Doctor, scientist, teacher & assistant manager sind neutrale Bezeichnungen (wobei es natürlich auch im englischsprachigen Raum geschlechtliche Assoziationen gibt), Diese Bezeichnungen können gar nicht angemessen ins Deutsche übersetzt werden, wenn das Geschlecht der Person nicht bekannt ist. Wenn ich sage „That’s the house where my doctor/teacher lives”, kann ich es nur uneindeutig mit „Das ist das Haus, in dem mein Arzt/meine Ärztin/mein Lehrer/meine Lehrerin wohnt.“ übersetzen. Im Englischen gibt es „wirklich“ neutrale Wörter, im Deutschen nicht.
[xviii] Pollatschek: Deutschland ist besessen von Genitalien.
[xix] „Und ich weiß, dass die allermeisten Argumente gegen das Gendern falsch sind. Falsch ist es zum Beispiel, zu behaupten, dass sich Wörter wie Student*innen nicht aussprechen ließen. Wer „Theater“ korrekt aussprechen kann, mit einem glottalen Verschlusslaut, also „The-kurze Pause-ater“ und nicht von „Thejater“ spricht, kann auch „Student-kurze Pause -innen“ aussprechen.“ Pollatschek: Deutschland ist besessen von Genitalien.
[xx] Pollatschek: Deutschland ist besessen von Genitalien.
One thought on “Der Drahtseilakt des Genderns – Teil I”
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